Virtualität & Raum

Über das Verhältnis von virtuellen und realen Räumen in typischen Gestaltungswerkzeugen.

Die Arbeitsrealität der meisten Gestalter:innen sieht in etwa so aus:

Betrachtet auf einer funktionalen Ebene macht das zunächst auch Sinn. Maus und Tastatur sind universell anwendbare und gelernte Interfaces und der Bildschirm ist ein universelles Ausgabemedium, das sowohl jeden erdenklichen Entwurf als auch jedes erdenkliche Entwurfswerkzeug darstellen kann. Egal ob es um das Schreiben eines Textes, das Bearbeiten eines Bildes, das Layouten eines Print-Produkts oder das Schneiden eines Films geht – all das findet an einem Ort, besser gesagt, durch ein und das selbe Gerät statt.

Interessant ist jetzt aber, wie dabei eine Art virtueller Raum entsteht in dem das alles stattfindet. Der gesamte Arbeitsprozess wird von dem Raum in dem er stattfindet entkoppelt und ist und lediglich von den kleinen digitalen Knöpfen und Funktionen abhängig ist die uns die Software vorgibt, die wir gerade nutzen. Die rechteckige Fläche unseres Bildschirms ist auch die Grenze unserer Wahrnehmung.

An einem klassischen Arbeitsplatz ohne digitale Mittel hingegen, arbeiten wir zwar in der Regel auch auf einer begrenzten Fläche (dem Blatt Papier), allerdings ist diese doch fundamental von der Umgebung abhängig: Der Untergrund auf dem wir Zeichnen, die Beleuchtung im Raum, selbst das Kratzen des Stiftes beeinflussen unsere Wahrnehmung und somit auch unseren kreativen Prozess.

Die Interfaces, über welche wir heute fast ausschließlich mit digitalen Werkzeugen interagieren, können uns immer nur eine eingeschränkte Repräsentation dessen bieten, wie wir natürlicherweise mit unserer Umgebung interagieren. Paul Dourish schreibt beispielsweise:

Mice provide only simple information about movement in two dimensions, while in the everyday world we can manipulate many objects at once, using both hands and three dimensions to arrange the environment for our purposes and the activities at hand. A child playing with blocks engages with them in quite different ways than we could provide in a screen-based virtual equivalent. 1

Kreative legen seit jeher Wert auf ihre Arbeitsumgebung. Wir gestalten Räume in dem wir uns wohlfühlen, umgeben uns mit Dingen, die uns inspirieren – und doch ist das erste was wir heute täglich tun, uns vor einen Bildschirm zu setzen und von all dem abzukapseln.

Und in gewissen Fällen macht das auch Sinn; konkret immer dort wo eine möglichst neutrale Betrachtung erwünscht ist. Im gestalterischen Kontext geben uns digitale Werkzeuge beispielsweise im Produktionsprozess die Möglichkeit eine möglichst exakte Simulation des Endproduktes (Etwa eine Vorschau eines Magazins im Layoutprogramm oder die Vorschau eines Films im Schnittprogramm) während des Arbeitsprozesses vor uns zu haben.

Oft verwenden wir aber auch die selben Werkzeuge, die wir zum produzieren verwenden, um zu entwerfen. Ein Prozess, der von eigentlich gerade von möglichst vielfältigen Einfluss von außen lebt, von kleinen Zufällen und Interaktionen mit unserem physischen und sozialen Umfeld, die uns auf neue Ideen bringen. Aus genau diesem Grund greifen wir dann oft auf analoge Werkzeuge zurück und das ist ja auch gut so.

Ich glaube aber, dass wir gerade als Kreative von den zusätztlichen Möglichkeiten, die Computer uns bieten, profitieren können, wenn wir sie bewusst einsetzen und neue Wege finden, wie wir mit ihnen interagieren.

Ansätze, wie Embodied Interaction, Tangible Interfaces oder das Third Paradigm of HCI beschreiben im Interaktionsdesign Ideen, wie wir Werkzeuge von ihrer reinen Funktionalität trennen, sie in einen umfassenderen Kontext integrieren und sie so aus ihrer virtuellen Welt zurück in unsere menschliche holen können.

Under the third paradigm, the context ideally includes the totality of experience, including aspects that may be irrelevant to the immediate goal of the interaction. Researchers tend to ask not only “how does context give our design meaning?”, but also “how does our design accommodate the context?” 2


  1. Paul Dourish: Where the Action is — The Foundations of Embodied Interaction

  2. Harrison, Tatar, Sengers: The Three Paradigms of HCI