Focused Computing

Computer bieten scheinbar unendliche Möglichkeiten, in denen wir uns leicht verlieren können. Brauchen wir einen neuen Fokus auf das Wesentliche?

Unbegerenzte Möglichkeiten

Die äußere Form der Geräte, die wir nutzen hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Fast die komplette Entwicklung und Produktgestaltung findet auf einer Software-Ebene statt.

Und das macht zunächst auch völlig Sinn. Denn auf dieser Ebene gibt es unbegrenzte Möglichkeiten. Ein Stück Software ist dynamisch und veränderbar, kann zu nahezu allem werden und mit nur einem Update angepasst werden.

Die Idee des Personal Computers ist auch die einer Universalmaschine. Eine Maschine, mit der fast alles möglich ist was ich mir nur vorstellen könnte – die für jede Aufgabe eine Lösung parat hat.

Im Laufe der Zeit sind die technischen Möglichkeiten immer größer und die dafür notwendigen Computerchips immer kleiner geworden und so haben wir heute alle einen kleinen Supercomputer in unserer Hosentasche. Für die Hardware haben wir uns mit jeder Entwicklungsstufe auf eine möglichst universell einsetzbare Form geeinigt (Desktopcomputer, Laptop, Smartphone, …), die wir mit ebenso universellen Interfaces bedienen: Tastatur, Maus, Touchscreens.

Die äußerliche Einfachheit dieser Geräte trügt dabei darüber hinweg, wie die Prozesse die in diesen unscheinbaren Boxen stattfinden völlig ungreifbar geworden sind und durch die Möglichkeit der Vernetzung von Computern untereinander hat sich dieser Effekt nur extrem verstärkt.

Es entsteht ein Ungleichgewicht zwischen der formalen Erscheinung eines Produkts und der Funktion, die es repräsentiert.

Geht das alles nicht auch viel einfacher?

Im Kontrast dazu stehen alltägliche Produkte die gerade wegen ihrer Einfachheit und Greifbarkeit schätzen: Fahrräder, Bücher, Plattenspieler, Schreib- und Zeichenwerkzeuge, Kochutensilien …

Diese Dinge benutzen wir in nahezu unveränderter Form seit Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten. Wir entwickelt oft sogar nostalgische Gefühle für sie und nutzen teilweise bewusst scheinbar technisch überholte Produkte wieder vermehrt (Plattenspieler), weil sie simpel, greifbar und funktional sind. Auch digitale Geräte, die sich auf nur einen Zweck reduzieren genießen diese Werschätzung und haben teilweise sogar eine Art Kultstatus aufgrund ihrer Einfachheit: Denken wir beispielsweise an den iPod.

Auf den iPod folgte das iPhone. Und genau dort hat auch ein Übergang stattgefunden. Weg von einem bestimmten Zweck, hin zu unbegrenzten Möglichkeiten. Wie berühmterweise von Steve Jobs eingeführt:

An iPod, a Phone and an Internet Communicator. Are you getting it? These are not three separate devices … 1

Aber vielleicht ist genau das das Problem. Ein Gerät das mich alles tun lässt, scheinbar jedes Problem zu lösen vermag solange ich nur die perfekte App dafür finde, wird ziemlich schnell unentbehrlich; aber eben auch ziemlich ungreifbar.

Diese Geräte mit ihren unendlichen Möglichkeiten verleiten uns dazu ständig nach neuen Systemen und Problemen zu suchen wo vielleicht eigentlich gar keine sind, immer neue Apps und Tools zu entwickeln und wir vergessen völlig in welchem beschränkten Rahmen wir uns dabei eigentlich befinden. Ein kleiner Bildschirm auf dem wir mit unseren Fingern wischen und in den wir unser ganzes Leben zwängen wollen und der all unsere Probleme lösen soll –

Und hier und da realisieren wir dann, wie sehr wir eigentlich nach simplen Lösungen streben.

Ein neuer Fokus

Vor allem auch Social Media & Co haben gezeigt wie leicht wir uns ablenken lassen wenn alles nur einen Klick entfernt ist. Wie sehr wenige Algorithmen unser Belohnungssystem hacken können und uns abhängig machen.

Im Slow Media Manifest von Sabria David, Joerg Blumtritt und Benedikt Koehler werden Ansätze beschrieben, der Schnellebigkeit und Informationsflut von diesen Plattformen entgegenzuwirken:

So wie die Herstellung eines guten Essens die volle Aufmerksamkeit aller Sinne eines Koches und seiner Gäste erfordert, können Slow Media nur in fokussierter Wachheit mit Genuss konsumiert werden. 2

Vielleicht brauchen wir genau so etwas auch für unsere digitalen Werkzeuge. Wir als Kreative, sind der Koch und wir brauchen eine Küche, die uns nicht ablenkt und tausend Optionen bietet, die wir eigentlich nicht brauchen, sondern die uns eine Sammlung an simplen Werkzeugen bietet, die uns ein fokussiertes und effizientes Arbeiten ermöglichen. Und dabei im besten Fall auch noch richtig Spaß machen.

Dieser Ansatz erfordert neue digitale Plattformen und Werkzeuge, die sich bewusst auf wenige, bestimmte Dinge fokussieren. Die nicht mit Funktionen überladen sind, einfach nur weil es möglich ist, sondern, die sich auf das Wesentliche reduzieren.

Oder wie John Maeda es in seinem Buch Simplicity definiert:

Simplicity is about subtracting the obvious and adding the meaningful

Und vielleicht können wir uns dann auch als Kreative wieder im Prozess, anstatt in Ablenkung verlieren – so simpel und fokussiert wie mit einem Stift und einem Blatt Papier …


  1. Steve Jobs introduces the iPhone in 2007 → YouTube

  2. David, Blumtritt, Koehler: Slow Media Manifest → https://www.slow-media.net/manifest